, Steinmann Patrick

Schwefelsee-Weekend vom 21/22. August

Hier der Bericht von Patrick zum Besuch des Schwefelsees…

 Der beschriebene See beinhaltet ein einmaliges und extrem empfindliches Ökosystem. Die Landschaft um den See zieht viele Wanderer, Biker und Fischer an, welche diesen Ort auf ihre Weise geniessen und nutzen. Dabei kann es sehr schnell zu Interessenkonflikten oder zu unbeabsichtigten Schädigungen der Natur kommen. Daher ist der Zugang zum See streng reglementiert und wird vor Ort durch die lokalen Behörden auch kontrolliert. Tauchtourismus hat in diesem Konzept keinen Platz und würde den See nachhaltig schädigen. Dass wir dennoch in diesem sehr besonderen See tauchen durften, verdanken wir dem Entgegenkommen der zuständigen Stellen. Wir möchten mit diesem Bericht keinesfalls einen Taucheransturm auf den See auslösen. Daher nennen wir den Namen des Sees nicht und möchten jene, die den Ort kennen davon abhalten, auf eigene Faust dort zu tauchen. Ohne genaue Kenntnis des Sees wird man die im Bericht beschriebenen Quellaufstösse ohnehin nicht finden.

Am Samstag morgen, den 21. August 04 um 05:30 (!!!!) trafen sich ein paar müde Gestalten auf dem Opernhaus Parkplatz in Zürich. Was das wohl werden sollte? Na klar: Der Auftakt zu einem weiteren tollen Lake-it event! Nach den nötigen Vorabklärungen und mit Bewilligungen in der Tasche war es nun soweit. Ausserdem hatten wir noch einen kleinen Auftrag im Dienste der Forschung zu erledigen.

Also ab zum Schwefelsee! Kurz nach 9 Uhr trafen wir auf der Alp ein und bezogen unser Quartier. Ein kleiner Imbiss von Annamaria zur Stärkung und ein Vortrag über den See und seine Besonderheiten machten uns fit für den ersten Tauchgang.

Ein starker und vor allem kalter Wind trieb uns schnell in die warmen Tauchanzüge, wobei die Höhenluft offenbar einigen Teilnehmern ein bisschen zu schaffen machte. Danach begaben uns in voller Montur auf eine gemütliche Alpenwanderung zum See…

Wir tauchten am Ufer ab und befanden uns über einer dichten Wiese aus Armleuchteralgen und einigen Laichkräutern. Dazwischen tummelten sich Elritzen und ein paar magere Forellen.

In etwa 5m Tiefe hörte der Armleuchteralgenbestand schlagartig auf. Weisse Nebelschwaden flossen den Hang hinab. Das war keine Sinnestrübung infolge starker Übermüdung, sondern reale Schwefelwolken, die aus Unterwasserquellen austraten.

Die Quellen waren ausserordentlich aktiv und das ganze Gebiet war mit weissen Nebelschwaden durchsetzt. Trotzdem war die Sicht gut und im Schein der Lampen kamen bald die ersten giftgrünen und rosaroten Flecken am Boden zum Vorschein. Bald darauf entdeckten wir auch die ersten Quelltöpfe, aus denen die schweflige Brühe aus dem Seegrund austrat.

In den folgenden 3/4 Stunden bewegten wir uns in einer farbenfrohen Märchenwelt. Manche Teilnehmer fühlten sich auf einen fernen fremdartigen Planeten oder ins Hobbit- Land versetzt. Die skurrilen Formen und Farben werden aber von ganz und gar irdischen Lebewesen gebildet, nämlich von Blaualgen und Schwefelbakterien. Die Mikrobengemeinschaften bilden hier zusammenhängende, filzige Matten, die auf dem extrem weichen Sediment aufliegen. Bei der geringsten Wasserbewegung waberten die Matten wellenartig auf und ab. Jede Unachtsamkeit eines Tauchers würde diese fragilen Matten zerreissen und das Sediment darunter aufwirbeln. Alle Taucher beherrschten ihre Tarierung jedoch vorbildlich, so dass wir keine Schäden in diesem sensiblen Gebiet hinterliessen.

Ab einer Tiefe von knapp 11m wurde das Wasser sehr trüb und der Schein der Lampen wurde plötzlich rot. Wir befanden uns an der Grenzschicht zwischen dem aeroben Oberflächenwasser und dem schwefligen, anaeroben Tiefenwasser. In dieser Grenzschicht leben rote Purpurbakterien in solchen Dichten, dass das Wasser wie Himbeersirup erscheint. Diese Schichtung ist typisch für diesen See. Deutlich war hier auch der Geruch nach faulen Eiern durch die Tauchmaske hindurch feststellbar, die hohe Schwefelwasserstoffkonzentration reizte Augen und Nase und liess uns nach knapp einer Minute wieder über die Schicht aufsteigen.

Beim Aufstieg in seichtere Wasserschichten entdeckten wir auch die für viele Bergseen typischen knallroten Hüpferlinge. Auf den Armleuchteralgen sassen viele Glockentierchen und Süsswasserpolypen, ebenfalls rot gefärbt. Ob die Polypen diese Färbung wohl durch den roten Farbstoff der gefressenen Hüpferlinge bekommen?

Nach einer Mittagspause, versüsst durch ein paar Köstlichkeiten von Annamaria, bereiteten wir uns auf den zweiten Tauchgang vor. Nun konzentrierten wir uns auf die aktivsten und farbigsten Stellen im Quellgebiet. Ausserdem hatten wir noch den Auftrag, möglichst viele Fotos von den Mikrobenbelägen zu schiessen und Proben aus den Matten zu entnehmen, damit die Zusammensetzung dieser Beläge von Mikrobiologen im Labor genauer untersucht werden kann. Nach dem Tauchgang wurden die stinkenden Proben in einem Kühlschrank in der Unterkunft verstaut. Jedes Öffnen dieses Kühlschranks wurde in der Folge mit lauten Protesten aller Teilnehmer kommentiert.

Am Abend fielen wir über das kleine Restaurant unten am See her. Es wurde ein haarsträubender Abend…

Die Nachtruhe verlief von falsch gestellten Natel-Weckern abgesehen friedlich und am nächsten Morgen stand der dritte Tauchgang an. Bei strahlendem Wetter und deutlich wärmeren Temperaturen buckelten wir mit den Ausrüstungen noch einmal zum See. Danach verwöhnte uns Annamaria nochmals mit ihrer italienischen Küche.

Anmerkung des Fotografen: Jede Ähnlichkeit mit real existierenden Schwefelquellen wäre unbeabsichtigt und rein zufällig…;-)

Danach gings auch schon ans Packen und putzen und am späten Nachmittag verliessen wir die Alp wieder Richtung Zürich.

Die entnommenen Proben werden nun am Botanischen Institut der Uni Zürich analysiert. Sobald Ergebnisse vorliegen, wird im Lake it Forum ein entsprechender Hinweis gepostet.

Übrigens: Die stinkenden schwefligen Mietausrüstungen werden an die Teilnehmer am Tessinweekend im September abgegeben. Alle Tessin-Teilnehmer werden gebeten die Ausrüstungen ausgiebig im sauberen Verzascawasser zu spülen, bevor ihr sie Peter zurückbringt.