, Birrer Stefan

Besuch des Schwefelsees am 11. / 12. August 2005

Der beschriebene See beinhaltet ein einmaliges und extrem empfindliches Ökosystem. Die Landschaft um den See zieht viele Wanderer, Biker und Fischer an, welche diesen Ort auf ihre Weise geniessen und nutzen. Dabei kann es sehr schnell zu Interessenkonflikten oder zu unbeabsichtigten Schädigungen der Natur kommen. Daher ist der Zugang zum See streng reglementiert und wird vor Ort durch die lokalen Behörden auch kontrolliert. Tauchtourismus hat in diesem Konzept keinen Platz und würde den See nachhaltig schädigen. Dass wir dennoch in diesem sehr besonderen See tauchen durften, verdanken wir dem Entgegenkommen der zuständigen Stellen. Wir möchten mit diesem Bericht keinesfalls einen Taucheransturm auf den See auslösen. Daher nennen wir den Namen des Sees nicht und möchten jene, die den Ort kennen davon abhalten, auf eigene Faust dort zu tauchen. Ohne genaue Kenntnis des Sees wird man die im Bericht beschriebenen Quellaufstösse ohnehin nicht finden.

Auch dieses Jahr ergab sich eine gute Gelegenheit, in diesem verrückten See zu tauchen. Und wiederum musste dieses Erlebnis mit seeehr früh aufstehen erkauft werden! Das Wetter hatte sich etwas verbessert, wenige Tage zuvor herrschte auf der Alp eine starke Bise mit Temperaturen um 6°C.

Der erste Tauchgang fand nach einer kleine Stärkung und einigen Infohäppchen über den See am späten Vormittag statt. In 7m Tiefe empfingen uns die dicken weissen Schwefelwolken, die diesmal noch dichter und ausgedehnter als im letzten Jahr waren. Glücklicherweise gab es aber doch auch eine grössere Zone mit freier Sicht auf die farbigen Matten und die Quellen.

Wie schon letztes Jahr, hatten wir den Auftrag, Proben aus den Bakterienmatten zu nehmen. Besonders wichtig war dabei, die Proben ohne Verwirbelung des Sediments zu nehmen, damit die Schichtung im Proberöhrchen erhalten blieb. Eine knifflige Übung, die nach einigen Fehlschlägen schliesslich gut gelang. Die Proben wurden von einem Mitarbeiter des Mikrobiologischen Instituts des Kt. Tessin in Empfang genommen und sofort in flüssigen Stickstoff eingefroren. Mittlerweile haben die armen Mikroben wohl schon einige Versuche über sich ergehen lassen müssen…

Nach einem Picknick gings nochmals zum See, vorbei an staunenden Wanderern, die nicht so recht wussten, warum jemand mit so komischen Stahltanks am Rücken und Bleigewichten am Bauch auf eine Bergtour gehen sollte. Andere wollten nicht recht glauben, dass es in diesem kalten abgelegenen Gewässer tatsächlich etwas sehenswertes geben könnte. Dieser See hats eben in sich, und das bleibt dem «oberflächlichen» Betrachter halt verborgen.

Die Taucher gehen der Sache aber auf den Grund und finden in 11.5m eine kompakte, gut ausgebildete Schicht aus roten Schwefelpurpurbakterien. Darüber die weissen Schwefelnebel und dem Hang entlang die «Bäche» von schwerem, schwefelhaltigem Wasser. Wieder eine Stunde in einer Märchenwelt. Und nochmals ein paar Proben stechen.

Am Abend das übliche Logbuchschreiben, Nachtessen in der Beiz am See und ein paar Geschichten erzählen. Übernachtet haben wir im standesgemässen Massenlager.

Am nächsten Tag stiegen wir mit sinkender Taucherzahl und sinkenden Luftreserven, dafür bei strahlen schönem Wetter noch zwei mal in den See, diesmal nur zur Probenahme mit den Augen und den Fotoapparaten.

Dazwischen brutzelten wir unser Mittagessen in der Unterkunft. Annamaria verwöhnte uns wieder nach Kräften, obwohl sie gar nicht da war. Das Rezept für ihren feinen kuchen findet ihr im Forum!

Nach dem Mittagessen wurden wir noch von Patrice über die Geologie und die Entstehung der Alpen, sowie die Besonderrheiten des Gebietes, in dem wir uns befanden, informiert.

Bei der Rückfahrt gönnten wir uns einen kleinen Umweg, da niemand gesteigertes Interesse daran hatte, an einer 10km langen Blechlawinenveranstaltung vor dem Gotthard teilzunehmen.